DIN 1317-1, Absorbing Borders

Maria Wildeis
DIN 1317-1: Absorbing Borders

Sound + Installation + Performance
01 June 2022
Cité internationale des arts, 75004 Paris

In einem Brief vom 6. Oktober 1858 an seine Geliebte Mathilde Wesendonck bringt Richard Wagner seine Begeisterung für die Érard-Klaviere zum Ausdruck: „Aber dieses wunderbar weiche, melancholisch süße Instrument hat mich ganz zur Musik zurückgeführt. Ich nannte es den Schwan, der nun gekommen war, den armen Lohengrin wieder heimzuführen!“

Der zentrale Ausgangspunkt meiner künstlerischen Forschung ist ein Erard-Flügel, mit dem ich während meiner Forschung an der Cité internationale des arts Paris gearbeitet habe. Ich komponierte ein Klangstück mit Aufnahmen der einzelnen Noten als feste Medien in Max MSP und generierte zufällige Rhythmusmuster. So fügte ich Sinuswellen unterschiedlicher Länge und Frequenzen hinzu, um durch überlappende Sinuskurven im Stereofeld ortsspezifische Rhythmusmuster zu erzeugen.

Camille Érard, die Witwe von Pierre Érard, schenkte Wagner nach seinem Aufenthalt in Paris einen Flügel. Er komponierte den ersten Akt und das Libretto in Zürich. Er beschloss, den zweiten Akt in der „Einsamkeit von Venedig zu komponieren und ließ seinen Érard-Flügel über die Alpen transportieren“. Den dritten Akt schrieb er in der Schweiz, im Luzerner Nobelhotel „Schweizerhof“. Wagner reiste mit dem Flügel nicht nur nach Venedig, sondern auch nach Biebrich, Wien, München, Tribschen und Bayreuth.

Erard-Flügel waren sehr beliebt und wurden daher im Sinne der europäischen Expansion viel herumgeschoben. Der europäische Gedanke, die Welt zu kolonisieren und nutzbar zu machen, hinterließ seine Spuren in salzigen, rostigen Érard-Flügeln, die zurückgelassen wurden. Bereits im 18. Jahrhundert wurden die beliebtesten Klaviere des französischen Herstellers nicht nur nach Europa und Amerika exportiert, sondern auch in die französischen Kolonien in Asien oder Südamerika.

Die Klaviere trugen nicht nur ihren schmeichelnden Klang in alle Welt, sondern auch den in vielen europäischen Stimmungskonferenzen ausgehandelten Kammerton, der schließlich auf A1 = 440 Hz bei 20° Celsius festgelegt wurde. 1920 heißt es im Vertrag von Versailles: Artikel 282, Absatz 22. Übereinkommen vom 16. und 19. November 1885 über die Herstellung einer genormten Stimmgabel; es folgten die ISO-Norm und 1957 die DIN 1317-1 (Deutsches Institut für Normung).

Begleitet wird die künstlerische Auseinandersetzung von der Präsentation zweier Albino-Alligatoren, die derzeit im Palais de la Porte Dorée in Paris im Aquarium Tropical, im Untergeschoss des Gebäudes, zu Hause sind. Das Art-déco-Gebäude wurde 1931 anlässlich der „Exposition coloniale internationale“ eröffnet. Die Bildhauerin Elizabeth Prophet nannte es „die spektakulärste Kolonialausstellung, die der Westen je gesehen hat“. Ebenso beeindruckend ist die Darstellung dieser weißen Wesen, die aus dem US-Bundesstaat Louisiana am Fuße des Mississippi stammen, einer ehemaligen, sehr frühen Kolonie Frankreichs (17. Jahrhundert). Sie wurden aus ihrem Lebensraum herausgenommen, um als Superlative der Fremdenschau in einer künstlichen Umgebung separat beobachtet zu werden.

Maria Wildeis beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit elektronischen Musikkompositionen und Live-Performances. Mit Hilfe des Mediums der Soundscape, der Linearität der Zeitwahrnehmung bei Menschen und Nicht-Menschen, sowie den räumlichen Aspekten von Klang. Inspiriert von historischen Konnotationen verschiedener Objekte und Ereignisse, sowie den unterschiedlichen Klangereignissen in der Natur und den sensorischen Fähigkeiten einiger Tiere, experimentiert der Komponist mit zeitlichen und räumlichen Faktoren durch zwei- oder mehrkanalige Performances und Installationen.

Quellenforschung (Auswahl):
– http://www.versailler-vertrag.de/vv10.htm
– https://richard-wagner-museum.ch/geschichte/fluegel-von-erard/
– https://opera-inside.com/tristan-und-isolde-von-richard-wagner-opernfuehrer-und-handlung/?lang=de
– http://archivobello.uchile.cl/thumb?img=content/registros/coleccion-eugenio-perei-ra-salas/037R/ugd_3389. jpg&size=900
– https://www.geo.fr/histoire/ancien-musee-des-colonies-retour-sur-la-naissance-et-le-destin-singulier-du-palais-de-la-porte-doree-a-paris-207187 – Wikipedia

Quellen: Film:
Konzept, Musik + Bild: Maria Wildeis
Fotogrammetrie: Benoît Rogez Bild
Referenzen: 2 Postkarten ‚Alligator mississippiensis‘ © Déodat Manchon / EPPPD (Aquarium Tropical Paris)
Wagner: Tristan und Isolde WWV 90 – Prelude und Liebestod (Act III), France Musique
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